Bankrotts und fragwürdige Geschäfte – Ein alter Hut im Bankenwesen

Bankenpleiten, gierige Banker mit fragwürdiger Moral – ein Phänomen des 21. Jahrhunderts? Weit gefehlt. Ein Blick auf die Anfänge des Bankenwesens zeigt: Schon damals gingen Banken spektakulär pleite. Schon die allerersten Banker schlugen dem Teufel ein Schnippchen um der Gewinne willen. Und schafften es zugleich, mit einer innovativen Idee den Grundstein für das moderne Banken- und Finanzwesen zu legen.

Erste Banchieri
Das Verleihen und Wechseln von Geld ist eine Praxis, die vermutlich so alt ist wie Geld selbst. Die Wurzeln des modernen Bankenwesens aber liegen im Italien des 13. Jahrhunderts, in den oberitalienischen Stadtstaaten Pisa, Florenz, Venedig, Verona und Genua. Den damaligen Finanziers gelang eine bahnbrechende Innovation, die den Lauf der Wirtschaftsgeschichte verändern und unser Finanzsystem bis heute prägen sollte. Ja, die es erst ermöglichen sollte.

Zunächst aber gaben sie einer ganzen Branche ihren Namen: Wie alle anderen Händler auch, verrichteten Pfandleiher, Geldwechsler und im Fernhandel tätige Kreditgeber, ihre Geschäfte auf Marktplätzen und Messen. Unter freiem Himmel saßen sie hinter Tischen auf Bänken („banchi“), tauschten Geld und vergaben Darlehen. Aus dieser Arbeitsumgebung wurde die Berufsbezeichnung. Diese „Banchieri“ waren, im Wortsinn, die ersten Banker.

Sündiges Geld
Dabei hatten sie jedoch zunächst ein nicht unerhebliches Problem zu überwinden: Sie begingen, wenn sie mit ihren Geschäften Gewinn machen wollten, eine Todsünde.
Christen war es nämlich verboten, mit dem Verleih von Geld Gewinn zu machen, mit anderen Worten Zins zu verlangen. Sie machten sich damit der Todsünde des Geizes schuldig. Nahm ein Christ Zinsen für geborgtes Geld, drohte ihm die Exkommunizierung. Unter Karl dem Großen war das offizielle kirchliche Zinsverbot im 8. Jahrhundert sogar Teil des säkularen Rechts geworden. Lange Zeit war diese Art von Geschäft daher Juden vorbehalten. Sie durften, gemäß dem Talmud, zwar nicht von anderen Juden, wohl aber von Christen Zinsen nehmen.
Aber, damals wie heute, waren Verbote letztlich keine Hindernisse, sondern lediglich Erschwernisse, die etwas Spitzfindigkeit und Kreativität erforderten. Durch gefinkelte rechnerische Tricks wurden Zinsen einfach versteckt, häufig etwa getarnt als Rückzahlung in einer anderen Währung an einem anderen Ort. De facto ließen sich also auch christliche Geldhändler durchaus Zins zahlen.
Ähnlich wie kurz vor der Finanzkrise 2008, deren Nachwehen wir heute noch spüren, hielt sich auch damals kaum jemand an die Regeln. Doppelmoral und Heuchelei – gegenwärtig ein häufiger Vorwurf gegen Banken – prägten schon die Entstehung des Bankenwesens. Ohne das Zinsverbot, ohne die „Notwenigkeit“ Wege zu finden es zu umgehen, wäre dessen Entwicklung wohl deutlich anders verlaufen.

Eine zukunftsträchtige Innovation
Ein probates Mittel, das das Umgehen des Zinsverbots erleichterte und auch sonst eine Reihe von Vorteilen mit sich brachte, war: Der Wechsel, die bereits angesprochene Innovation und nichts anderes als die Erfindung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs.
Ein Wechselbrief, kurz Wechsel, ist ein Wertpapier, in dem die Anweisung erteilt wird, einer bestimmten Person zu einem festgelegten Fälligkeitsdatum eine gewisse Summe auszubezahlen. Durch diese Zahlungsaufträge konnte Geld überwiesen werden; man zahlt Geld bei der Bank ein und kann es sich durch Vorlage des Wechsels andernorts bei einer anderen Filiale wieder ausbezahlen lassen. Auch Kreditgeschäfte wurden mit Wechseln getätigt, häufig wurde diese Praxis beispielsweise für die Finanzierung von Exportgeschäften genützt. Die Bank verleiht Bargeld gegen einen Wechsel, der Kaufmann investiert den Kredit in Waren und zahlt nach erfolgreichem Abschluss der Geschäfte seine Schulden zurück.

Diese Praxis erleichterte den Handel und kurbelte ihn enorm an. Engpässe an Edelmetall konnten auf diese Weise umgangen werden. Vor allem aber war es nun nicht mehr nötig, große Mengen an Gold- und Silbermünzen über erhebliche Entfernungen zu transportierten. Lange Reisezeiten, hohe Transportkosten und die ständige Gefahr überfallen zu werden, machten das zu einem beschwerlichen und auch überaus riskanten Unternehmen. Nun mussten Kaufleute die beispielsweise aus Italien zu den größten Handelsmessen des Mittelalters in die Champagne reisten, lediglich ein einziges Papierdokument mit sich führen.
Der Wechsel ist somit der Ursprung des modernen bargeldlosen Zahlungsverkehrs, der die Entwicklung des modernen Bankenwesens und die Standardisierung der Weltwirtschaft erst ermöglichte.

Erste Großbanken und erste große Bankenpleiten
Einige norditalienische Familien brachten es im 13. Jahrhundert als richtiggehende Finanzmogule zu erheblicher Macht und Reichtum. Diese privaten Familienbanken gelten als die ersten Großbanken. Clans wie beispielsweise die Florentiner Peruzzi, Bardi oder Acciaiuoli hatten Filialen von Zypern bis England, sie finanzierten Handelsmissionen bis nach China oder Indien. Zu ihren wichtigsten Klienten zählten die englischen Könige Edward I und Edward II, deren Feldzüge zur Eroberung von Wales und Schottland sie finanzierten.

Aber das Geschäft im Geldwesen war nicht nur lukrativ, es barg auch große Risiken. Schiffe konnten sinken und mit ihnen das verliehene Kapital, welches die Ladung finanziert hatte. Kaufleute, deren Waren die Bankiers mit Krediten vorfinanziert hatten, konnten Opfer von Piraten oder Räubern werden. Großschuldner, wie Adelige und Könige, konnten zahlungsunfähig werden, sei es durch Pech im Krieg oder durch Verschwendung und Prunksucht.

Und das passierte auch immer wieder: Zwischen dem 13. Jahrhundert und dem Ende des 16. Jahrhunderts scheiterten allein in Venedig 96 der insgesamt 103 Banken.
Sie gingen mit anderen Worten bankrott – noch ein moderner Begriff, der aus der Frühgeschichte des Bankenwesens stammt. Konnte ein Bankier seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, wurde sein Tisch, seine banca, zerschlagen. Die banca rotta, der zerschlagene Tisch, ist der Ursprung des „Bankrotts“.

Immer wieder versuchten solche zahlungsunfähig gewordenen Geldhändler sich aus der Verantwortung zu stehlen und einer Festnahme zu entgehen: Sie ergriffen kurzerhand die Flucht. Auch wenn sicher nicht jeder gescheiterte Bankier diese Maßnahmen ergriff, kam es offenbar häufig vor. Zahlungsunfähig gewordene Banker wurden allgemein als „fugitivus“, Flüchtling bezeichnet, egal ob der Betroffene tatsächlich floh oder nicht.
Konnte ein Bankrotteur seine Schulden nicht in vollem Umfang zurückzahlen, wurde er von dem öffentlichen und wirtschaftlichen Leben der Stadt ausgeschlossen. Eine harte und die Existenz bedrohende Strafe. Einige italienische Städte pflegten darüber hinaus außerdem öffentliche Schmährituale. Der verkrachte Bankier wurde vor aller Augen – und vermutlich zur allgemeinen Belustigung – mit nacktem Hinterteil drei Mal gegen einen Schandstein im Zentrum des Hauptplatzes gestoßen. Dabei musste er versichern: „Cedo bonis“, „Ich verzichte auf mein Hab und Gut.“

Auch die bedeutendsten der erwähnten Großbankiers des 13. Jahrhunderts fielen diesem Schicksal anheim. Die Familien der Bradi, Peruzzi, und Acciaiuoli wurden 1343 ausgelöscht durch die Zahlungsunfähigkeit ihrer damaligen beiden Hauptklienten, King Edward III von England und König Robert von Neapel.

Das Ende dieser Familien bedeutete aber selbstverständlich nicht das Ende ihres Geschäftszweiges. Andere, neue Familien, wie etwa die Medici im Florenz des 14. Jahrhunderts, erlangten durch ihre Bankgeschäfte Macht, Ruhm und Reichtum. Durch ihre Beiträge, wie etwa die Einführung der doppelten Buchführung, trieben sie die Entwicklung des modernen Bankenwesens weiter voran.

Lektüre zum Thema:

  • Nial. Ferguson, The Ascent of Money. A Financial History of the World. (New York 2008).
  • Jack Weatherford, Eine kurze Geschichte des Geldes und der Währungen. (Zürich 1999).
  • Horst Gischer/Bernhard Herz/Lukas Menkhoff, Geld, Kredit und Banken. Eine Einführung. (Wiesbaden 2012).

 

Martina Nothnagel