Der Internationale Frauentag – Warum, wozu, seit wann?

Heute, am 8. März ist Internationaler Frauentag. Man (Frau) merkt es meist an speziellen Shopping-Aktionen für weibliche Kundinnen oder vielleicht an einer Blume als Geschenk in der Fußgängerzone. Aber welche Bedeutung hat dieser Tag jenseits der modernen Kommerzialisierung? Seit über 100 Jahren wird der Frauentag mittlerweile begangen. Seine Geschichte ist ebenso lang und vielfältig, wie die Geschichte dessen worum es dabei eigentlich geht – das Ringen um Frauenrechte und Gleichberechtigung.

Gründe, Gründung und Bedeutung
Um die genaue Entstehung des Frauentages ranken sich unterschiedliche Geschichten und Mythen. Fest steht: Er hat seine Anfänge im frühen 20. Jahrhundert. In einer Zeit also, in der es um die Rechte und Möglichkeiten von Frauen noch ganz anders bestellt war als heute. Es hat sich viel getan in den letzten gut 100 Jahren. Vieles, das uns heute selbstverständlich erscheint war damals noch revolutionär oder sogar noch undenkbar. Wie wir gleich noch sehen werden, bedeutet das aber keineswegs, dass das zentrale Anliegen des Frauentages – die Gleichstellung von Männern und Frauen – heute obsolet ist.

Während eines Großteils seiner Geschichte war der Frauentag vornehmlich eine politische Veranstaltung, eine politisch-ideologische Angelegenheit der „Linken“, das heißt von Sozialdemokraten und Kommunisten.
Das zeigt sich nicht zuletzt an unterschiedlichen Bezeichnungen und Tagen der Feierlichkeiten. So veranstaltete die SPÖ den „Sozialistischen Frauentag“ und den „Internationalen Sozialistischen Frauentag“ irgendwann im Frühling, die KPÖ den „Weltfrauentag“ oder den „Internationalen Frauentag“ am 8. März oder dem Sonntag davor.

Der erste Frauentag der Habsburgermonarchie wurde im Jahr 1911 in Wien gefeiert, veranstaltetet von den Sozialdemokraten. Etwa 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen zu diesem Anlass in einer feierlichen Prozession mit Fahnen und Standarten über die Ringstraße zum Rathausplatz. Ihre Forderungen: Gleiche Löhne für Männer und Frauen bei gleicher Arbeitsleistung, eine Verkürzung der Arbeitszeiten für Arbeiterinnen und Arbeiter (d.h. eine gesetzliche Beschränkung der Arbeitszeiten auf acht Stunden pro Tag sowie arbeitsfreie Sonn- und Feiertage) und ausreichende staatliche Versorgung von Witwen und Waisen. Die wohl gewichtigste Forderung aber war das Wahlrecht für Frauen.

(Frauen-)Wahlrecht
Am 12. November 1918 – vor genau hundert Jahren also – wurde diese Forderung schließlich erfüllt: Der Nationalrat der neugegründeten Republik Österreich (damals „Deutschösterreich“) beschloss das allgemeine, direkte und geheime Wahlrecht für alle – ohne Unterschied des Geschlechts. Damit wurden nun auch Frauen zu vollwertigen Staatsbürgerinnen.
Oder genauer, fast alle Frauen. Die Voraussetzung für dieses Stimmrecht war nämlich „moralische Integrität“. Frauen, die diese Anforderung in den Augen des Staates nicht erfüllten, wie etwa gewerbliche Prostituierte, blieben noch bis 1923 vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Und noch etwas wird in diesem Kontext meinst nicht erwähnt. Es mag heute barbarisch anmuten, dass Frauen vor 100 Jahren nicht einmal das Recht hatten zur Wahl zu gehen. Allerdings: Männer haben dieses Recht kaum länger. Das allgemeine Wahlrecht für männliche Staatsbürger wurde in der Habsburgermonarchie erst im Dezember 1906 eingeführt. (Davor gab es ein indirektes, komplexes Kurienwahlsystem, das nur einem kleinen Teil der Bevölkerung politische Mitbestimmung ermöglichte.)

Dennoch, das Frauenwahlrecht war ein wesentlicher Schritt in Sachen Gleichberechtigung. Und es war nicht der einzige im frühen 20. Jahrhundert. 1897 werden Frauen beispielsweise an Universitäten zugelassen (zunächst an der philosophischen Fakultät, 1900 auch an der medizinischen und 1919 an der juristischen Fakultät). Ab 1919 dürfen Mädchen öffentliche Gymnasien besuchen. Die österreichische Bundesverfassung von 1920 verbietet ausdrücklich eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Rückschritte
Das sollte sich jedoch bald wieder ändern. Die Herrschaft der Nationalsozialisten von 1938 bis 1945 bedeutete auch in Sachen Frauenrechte Stagnation und massive Rückschritte. Mädchen brauchen nunmehr eine ministerielle Genehmigung um ein Gymnasium besuchen zu können. Der Frauenanteil an den Universitäten wird auf zehn Prozent beschränkt.
So verwundert es nicht, dass auch der Frauentag abgeschafft wurde. Wie sollte er auch stattfinden können, unter einem Regime, in dem freie Meinungsäußerung, Versammlungen und Demonstrationen nicht mehr möglich waren, in dem außerdem die traditionellen Veranstalter – die SPÖ und KPÖ – verboten waren.

Nach dem Ende der NS-Herrschaft wurde die Tradition des Frauentages zwar wieder aufgenommen, hatte aber an Bedeutung und Kampfgeist verloren. Auch in den 1960er und frühen 1970er Jahren spielte der Frauentag in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle.

Signifikante Reformen
Erst in den 1970er Jahren gewann der Frauentag wieder an Bedeutung, wurde wieder öffentlich gefeiert. Zugleich verbesserten in den 70er und 80er Jahren zahlreiche Reformen die Rechte der Frauen auch in Österreich signifikant:
1978 konnte so eine zentrale Forderung (der Frauen und der Frauentage) umgesetzt werden: Die Reform von § 144, dem gemäß Schwangerschaftsabbruch strafbar war. Nach dieser Neuerung sind Abtreibungen nun bis zum dritten Schwangerschaftsmonat straffrei.
Zwischen 1975 und 1978 wurde außerdem das, teilweise noch aus dem Jahr 1811 stammende, Ehe- und Familienrecht reformiert. Die Ehe ist nun, auch von Gesetzes wegen, eine gleichberechtigte Partnerschaft von Mann und Frau. Die Frau braucht beispielsweise nicht länger die Zustimmung des Ehemannes um berufstätig zu sein. Sie muss nicht mehr zwingend den Namen ihres Ehemannes annehmen.
1979 wurde ein, auch für die Privatwirtschaft gültiges, Gleichbehandlungsgesetz erlassen. Unternehmen sind nun verpflichtet Frauen bei gleicher Leistung gleiche Löhne zu zahlen. (Ein Gesetz, das allerdings auch heute noch häufig ignoriert wird.)

Im Jahr 1977 wurde der Frauentag außerdem als „Internationaler Frauentag“ von den Vereinten Nationen anerkannt und auf den 8. März festgelegt. Damit ist der Internationale Frauentag nunmehr ein offizieller und überparteilicher Kundgebungstag.
Seither wird er von verschiedensten Organisationen und Institutionen mit den unterschiedlichen Forderungen und Agenden begangen. Vor allem aber die Konsumindustrie entdeckte diesen Tag immer mehr für sich und nutzt ihn als willkommenen Anlass für Werbeaktionen – die mit dem Grundgedanken dieses Tages wenig zu tun haben.

Ein Jahrhundert später
Und heute? Wo stehen die Frauen heute? Viel wurde erreicht, das ist richtig und absolut beachtlich. Dennoch, der Weg zu einer tatsächlichen Gleichstellung ist – vor allem in Österreich – noch lange nicht zu Ende.
Der internationale Gender-Gap Report, eine Studie des World Economic Forum, welche die Gleichstellung der Geschlechter untersucht, reiht Österreich für 2017 an Stelle 57 (von 144 untersuchten Ländern). Nicht nur Island, als Nummer 1 sondern auch Länder wie Mosambik oder Kasachstan schneiden besser ab. Das erschreckende dabei: 2006 schaffte Österreich noch Platz 26. Die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen wird größer statt kleiner. Frauen in Führungspositionen sind nach wie vor vergleichsweise selten. Mütter müssen weit häufiger beruflich zurückstecken als Väter.
Wenn wir also mit Frauentags-Prozenten shoppen und uns über Blumengeschenke freuen (bzw. unsere Frauen und Freudinnen dabei begleiten), sollen wir dabei nicht völlig auf die Ursprungsidee und die tatsächliche Bedeutung des Frauentages vergessen.
(Eine persönliche Anmerkung zum Abschluss: Die Forderung nach Gleichstellung sollte dabei natürlich für beide Geschlechter gelten. Die Tatsache etwa, dass Väter in Sachen Rechten an ihren Kindern nach wie vor benachteiligt sind, hat in meinen Augen ebenso Reformbedarf.)

Lektüre zum Thema:

  • Heidi Niederkofler, Maria Mesner, Johanna Zechner (Hrsg.), Frauentag! Erfindung und Karriere einer Tradition. (Wien 2011).  
  • Gender Gap Report: www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2017.pdf
Martina Nothnagel