Krieg und Gewalt – so alt wie die Menschheit selbst? Eine archäologische Spurensuche

Krieg, Gewalt, Blutvergießen – irgendwo auf der Welt sind das immer aktuelle Themen. Auch unsere Geschichte ist geprägt von Kriegen, Schlachten und Gemetzeln. Aber seit wann eigentlich? War der Mensch jemals friedvoll? Archäologische Spuren aus der Frühgeschichte der Menschheit versprechen Antworten.

Seit es schriftliche Überlieferungen gibt, gibt es Krieg. Das wissen wir mit Bestimmtheit. Schon 3000 v. Chr. bekriegten sich mesopotamische Stadtstaaten in der sogenannten Wiege der Zivilisation (heute Irak, Iran, Syrien). Keilschrifttexte berichten von Feldzügen und Plünderungen. Abbildungen zeigen Soldaten, bewaffnet mit Äxten, Keulen, Speeren und Schildern, zu Fuß oder auf Streitwägen. Die Siedlungen verschanzten sich hinter massiven Bollwerken. Ur beispielsweise, eine der bedeutendsten Städte der damaligen Zeit, umgab eine 10 km lange Befestigungslange, die 900 Wachtürme umfasste.
Und so ist es geblieben, seit damals prägen Kriege und Gewalttaten die Geschichte der Menschheit.

Spurensuche
Um aber einen Blick noch weiter zurück in die Vergangenheit zu werfen, in eine Zeit aus der es keine schriftlichen Überlieferungen gibt, sind wir allein auf archäologische Spuren angewiesen. Menschliche Überreste, Fundobjekte oder Spuren von Häusern und Siedlungen sind die einzigen Quellen aus denen wir die Urgeschichte rekonstruieren können. Aber finden sich auch bereits hier Hinweise auf Kriege und Gewalt?

Bevor wir diese Spuren genauer betrachten, gilt es zunächst noch eine andere Frage zu klären: Was ist eigentlich Krieg? Was unterscheidet Kriege von bloßen Überfällen und anderen Gruppen-Gewalttaten? Gemäß einer häufigen Definition lautet die Antwort: Der Staat. Überfällt ein Staat einen anderen, ist es Krieg. Überfällt eine politische oder ethnische Gruppe innerhalb eines Staates eine andere, ist es Bürgerkrieg. Demnach kann es, genau genommen, keinen Krieg geben, solange es keine Staaten oder zumindest vergleichbare Institutionen gibt.
An der Frage um die es hier gehen soll, führen solche Begriffsbestimmungen aber vorbei. Hier geht es nicht um das Entstehen staatlicher Strukturen. Hier geht es um die Frage nach Spuren gewaltsamer Konflikte, wie auch immer man diese nennen mag.

Steinzeitliche Gewalt?
Getötet haben schon die allerersten Vertreter des Homo Sapiens. Pfeilspitzen in menschlichen Überresten aus der Zeit um 25 000 v. Chr., gefunden im heutigen Frankreich, belegen das.  Ein einzelnes Skelett, ein einzelner Mensch der offenbar eines gewaltsamen Todes starb, lässt jedoch Spielraum für Interpretation. Vielleicht war es ein simpler Unfall. Altsteinzeitliche Zeugnisse von gewaltsam zu Tode Gekommenen – Knochen in denen Pfeilspitzen stecken, eingeschlagene Schädel, zersplitterte Knochen – finden sich allerdings in ganz Europa.
Felszeichnungen aus dem heutigen Frankreich, die ältesten davon bis zu 20 000 Jahre alt, liefern Bilder: Einige dieser Darstellungen scheinen das Töten von Menschen zu zeigen, zumeist erschossen mit Pfeil und Bogen.

Weitere Hinweise auf wiederholte Gewalt liefern Fundorte wie Djebal Sahaba im heutigen Sudan: Ein Friedhof aus der Zeit zwischen 12 000 bis 10 000 v. Chr. Von den 59 hier Bestatteten starben mindestens 30 keines natürlichen Todes. Darunter auch Frauen und Kinder. In ihren Körpern stecken steinerne Pfeilspitzen, ihre Knochen weisen Spuren grober Schläge auf. Manche liegen in Einzelgräbern, häufig finden sich mehrere Tote in einem gemeinsamen Grab (was ein sicherer Hinweis darauf ist, dass sie auch zur selben Zeit starben).
Dabei ist Djebal Sahaba ein bloßes Beispiel und kein Einzelfall. Vergleichbare Funde aus dieser Zeit gibt es auch in Europa.

Belege für exzessive Gewalt gegen ganze Gruppen von Menschen können auch noch deutlicher sein. Ein solches prähistorisches Massaker fand 5000 v. Chr. im heutigen Talheim, in der Gegend von Heilbronn, Baden-Württemberg, statt. Der Fund: Ein Massengrab mit 34 Toten (18 Erwachsene und 16 Kinder), achtlos in eine Grube geworfen.
Eine minutiöse Untersuchung der Skelette ergab ein grausames Bild: Diese Menschen wurden brutal erschlagen, mit Äxten und Keulen wurde auf sie eingedroschen. Davon zeugen Spuren am ganzen Körper, besonders häufig aber an Hinterkopf und Rücken. Offenbar wurden sie von hinten angegriffen, vielleicht versuchten sie zu fliehen. Selbst wenn sie bereits verletzt am Boden lagen, hörten die Schläge nicht auf. Einige der Toten weisen außerdem Verletzungen durch Pfeilspitzen auf.
Was ist hier passiert? – Wir wissen es nicht. Darüber, wer die Angreifer waren und wer die Opfer, warum dieses Blutbad stattfand, können wir höchsten spekulieren.

Was wir aber wissen: Talheim ist kein Einzelfall. Fundorte in ganz Europa bieten ein ähnliches Bild. So auch – um ein Beispiel aus Österreich zu nennen – eine Fundstelle in Aspern-Schletz, Niederösterreich. Hier fand man 67 Tote, grausam erschlagen. Einziger Unterschied zu Talheim: Diese Toten wurden nicht einmal in einer Grube verscharrt, man ließ sie einfach liegen.

Waffen
Noch etwas zeigen die archäologischen Funde deutlich: Der Mensch hat seine Geschicklichkeit immer schon (auch) dazu verwendet Waffen herzustellen. Zuerst aus Stein, später aus Metall. Äxte, Pfeilspitzen, Dolche und Schwerter sind zahlreich im Fundmaterial. Vor allem Dolche und Schwerter dienten, neben ihrer praktischen Funktion, auch als Prestigesymbole, als Zeichen von Macht und Männlichkeit.

Conclusio
Es scheint, als wäre der Mensch schon immer kriegerisch und gewalttätig gewesen. Aber: auch unsere Vorfahren waren nicht ausschließlich blutrünstig und brutal. Sie schufen Kunstwerke und betteten ihre Toten liebevoll zur letzten Ruhe. Sie konnten gewalttätig, manchmal barbarisch sein, aber auch kreativ und gefühlvoll – genau wie die Menschen heute.

Lektüre zum Thema:

  • Jean Guilaine/Jean Zammit, The Origins of War. Violence in Prehistory. (Oxford 2005).
  • Ton Otto/Henrik Thrane/Helle Vandkilde, Warfare and society. Archaeological and social anthropological perspectives. (Aarhus 2006).
Martina Nothnagel