Eiszeiten und globale Erwärmung – Vom Menschen und dem Klima

Der Frühling ist da! Das Wetter ist wieder in Ordnung – das Klima nicht. Klimaschutz und globale Erwärmung sind ständig Anlass heftiger Debatten. Dabei ist „Mensch-und-Klima“ ein uraltes Thema: Klimaveränderungen prägen seit jeher die Geschichte und die Kultur der Menschen – und zwar auf drastische und vielfältige Weise. Aber auch menschliche „Umweltsünden“ sind kein neues Phänomen. Seit Jahrtausenden greift der Mensch in Natur und Umwelt ein, zum Teil mit verheerenden Auswirkungen.

Mensch und Klima
Im Grunde sind Klimaveränderungen normal. Ein ständiger Wechsel von Kalt- und Warmzeiten ist natürlich, wobei eine solche Periode Jahrtausende oder auch nur Jahrhunderte andauern kann. Auch gegenwärtig erleben wir eine Erwärmung des Klimas. Mittlerweile ist man sich einig, dass dieser Klimawandel nicht allein natürliche Ursachen hat, sondern zu einem (großen) Teil anthropogen – also vom Menschen verursacht – ist. Angesichts all der Klimadebatten zwischen Beschwichtigung und apokalyptischen Zukunftsvisionen scheint es sinnvoll, auch einen Blick in die Vergangenheit zu werfen: Die Geschichte führt uns deutlich vor Augen, welche weitreichenden Auswirkungen selbst geringe Klimaveränderungen haben können.

Wendepunkte
Man muss nicht unbedingt in die Urgeschichte zurückgehen, um zu erkennen wie eng Klima- und Menschheitsgeschichte verwoben sind. Dort nahm allerdings alles seinen Anfang: Ab etwa 6 000 v. Chr. beginnt auch in Europa eine der entscheidendsten Veränderungen der Menschheitsgeschichte.  Die Menschen geben ihre bisherige Lebensweise als nomadische Jäger und Sammler auf. Sie werden sesshaft, betreiben Ackerbau und Viehzucht. Dörfer entstehen, später Städte. Herrschaftsstrukturen bilden sich heraus, Herrschaftsgebiete etablieren sich. Kurz: Der Grundstein für die weitere Entwicklung der menschlichen Zivilisation wird gelegt.
Warum tat der Mensch diesen Schritt? Warum gerade zu dieser Zeit? Eine Veränderung des Klimas machte es möglich. Die altsteinzeitliche Eiszeit ging zu Ende, eine Warmperiode begann. Die Temperaturen lagen etwa zwei bis drei Grad über den heutigen Durchschnittswerten. Während Tiere wie Wollnashorn oder Mammut aus Europa verschwanden, herrschten nun günstige Bedingungen für die neue Lebensweise. 

Zugleich stellt diese Entwicklung aber auch einen klimageschichtlichen Wendepunkt dar. Die Evolution ist nicht länger der einzige Einflussfaktor auf Umwelt und Klima – auch der Mensch greift nun aktiv ein. Zwar ist heute schwer zu belegen, ob und in welchem Ausmaß der Mensch das Klima schon damals nachhaltig beeinflusste, gemeinhin geht die Forschung aber davon aus, dass bereits diese menschlichen Aktivitäten nicht ohne Auswirkungen blieben. 

Römische Macht und antiker Kahlschlag
Ein paar tausend Jahre später ist die historische und klimageschichtliche Quellenlage deutlich besser: Während der ersten ca. 400 Jahre n. Chr. erlebte Europa eine warme und gemäßigt feuchte Klimaperiode. Eine Zeit, in welche auch die größte Ausdehnung des Römischen Reiches fällt. Sicherlich kann das Imperium Romanum nicht allein durch günstiges Klima erklärt werden, vorteilhafte Umweltbedingungen sind aber wohl ein nicht zu vernachlässigender Erfolgsfaktor. So stellten etwa reiche Ernten die ausreichende Versorgung einer ständig wachsenden Bevölkerung sicher. Aber auch die militärische Relevanz des Klimas darf nicht übersehen werden. Die ganzjährige Passierbarkeit der Alpenübergänge beispielsweise erleichterte die Eroberung und Kontrolle der Nordalpinen Provinzen.

Zugleich benötigten Griechen und Römer umfangreiche Umweltressourcen um ihre Lebensweise zu ermöglichen. Baum- und Grasland wurde gerodet um freie Flächen für die Landwirtschaft zu schaffen. Wälder wurden kahl geschlagen um Bauholz zu gewinnen, um an Brennholz zum Heizen der Thermen, zum Brennen von Töpferwaren und Ziegeln zu kommen. Aber auch für den Schiffsbau – essentiell für Handel und Kriegsführung – wurde großflächig gerodet.  Vom Libanon über Griechenland, Dalmatien, Nordfrankreich bis nach Sizilien und Spanien holzte man ganze Landstriche ab um Baummaterial für Schiffe zu gewinnen.
Diese Rodungen führten zu einem umfassenden Wechsel der Vegetation und vielerorts gar zur Verkarstung der entblößten Böden.

Extensive Brandrodungen scheinen außerdem bereits in der Antike und dem frühen Mittelalter zu einer vermehrten Methan-Emission geführt zu haben. Heute ist dieses Gas für rund 20 % des von Menschen versursachten Treibhauseffekts verantwortlich, aber bereits für das erste Jahrtausend nach Christus kann ein erheblicher Methan-Anstieg in der Atmosphäre nachgewiesen werden.

Klima und Kultur: Die Kleine Eiszeit
Dass bereits geringe Klimaveränderungen drastische Auswirkungen haben können, wird im Zuge von Klimaschutzdebatten immer wieder betont. Wie fatal die daraus folgenden sozialen, kulturellen und religiösen Konsequenzen sein können, zeigt ein erschütterndes Beispiel aus der etwas jüngeren Vergangenheit.
Die Rede ist von der sogenannten Kleinen Eiszeit: Nach einer relativ warmen Periode im Hochmittelalter (ca. 1 000 bis 1 300) setzte in Europa ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine Kälteperiode ein, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts andauerte. Wie es für Klimaperioden typisch ist, kann auch hier nicht von einer konstanten Abkühlung gesprochen werden, sondern von einer vorherrschenden Tendenz. Im Durchschnitt sanken die Temperaturen um ein bis zwei Grad. Es gab durchaus auch „normales Wetter“ oder gar extreme Hitze, charakteristisch für diese Kälteperiode aber waren zahlreiche extrem kalte und feuchte Jahre.

Und diese kalten Jahre waren in der Tat eisig. 1318 schneite es in Köln noch am 30. Juni. Der Rhein gefror in dieser Zeit regelmäßig bis hinunter ans Flussbett. Auf der gefrorenen Themse wurden Verkaufsbuden und Garküchen aufgestellt. Das Eis in der Lagune von Venedig war so dick, dass es schwere Warentransporte trug. Im Winter 1709 gefror in Südfrankreich der Wein in den Kellern, die Tinten in den Tintenfässern. Das Vieh erfror in den Ställen. In der Bucht von Marseille fror sogar das Mittelmeer zu.

Mit der Kälte kam auch das Leiden und der Tod: Wiederkehrende Missernten, Hochwasser in den wärmeren Jahren; Kühe, die keine Milch geben; Kinderlosigkeit; Krankheiten und Seuchen für Menschen und Tiere.  Die Menschen frieren und hungern. Sie erfrieren und verhungern. Seuchen wie Typhus und Pest (deren Überträger sich unter diesen Bedingungen besonders wohlfühlen) grassieren und raffen Tausende dahin.
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts sucht eine der fatalsten Hungersnöte der Geschichte Europa heim: Von den Britischen Inseln bis nach Russland, von Skandinavien bis ans Mittelmeer verhungerten die Menschen. Genaue Zahlen sind nicht überliefert, man schätzt, dass allein im Jahr 1316 fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung dem Hunger zum Opfer fielen. Die Pestwellen, die im 14. und 15. Jahrhundert Europa überrollten, rafften in manchen Städten bis zu 60 Prozent der Einwohner dahin.

Verzweifelt suchten die Menschen nach Erklärungen, nach Schuldigen. Die zeitgenössische Erklärung war einfach: Gott straft die Menschen für ihre Sünden.
Sündiges Verhalten konnte vielfältig sein, ganz besonders ein Bereich aber war aus Sicht der Kirche prädestiniert für Sündhaftigkeit: Sexualität. Im Sinne eines mittelalterlichen Krisenmanagements wurde voreheliche Sexualität streng geahndet, das Zölibat für Priester wurde durchgesetzt. Bordelle wurden geschlossen oder gar abgerissen.
War Gottes Strafe eine Erklärung, so war der Teufel die andere. Die Opfer dieses Erklärungsmodells: Juden und Hexen. Ihnen wurde ein Bündnis mit dem Teufel nachgesagt. Verantwortlich gemacht für die grassierenden Missstände mussten sie dafür büßen. Nicht umsonst fällt der Höhepunkt der Hexenverfolgung um 1 600 in die schlimmsten Jahre der Kleinen Eiszeit. Tausende vermeintliche Hexen wurden gefoltert und hingerichtet, heute schätzt man die Zahl der Opfer auf etwa 50 000.

Zurück in die Gegenwart: Klimaschutz und globale Erwärmung
Die Großteils anthropogene globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte erregt wohl zu Recht die Besorgnis von Klimaforschern und (zumindest manchen) Politikern. Hatte es in den 1960ern, nach einigen kälteren Jahren, noch heftige Debatten über eine kommende globale Abkühlung gegeben, gilt seit den 1970er Jahren die Sorge der globalen Erwärmung. Hehre Klimaschutzziele wurden seither definiert, vielversprechende Abkommen wurden getroffen – an deren konsequenter Umsetzung scheitert es aber immer wieder.
Auch die Geschichte ermutigt nicht gerade dazu, das Thema Klima auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Menschheit hat zwar bereits viele Klimaveränderungen überstanden, manchmal hat sie sogar davon profitiert. Die Menschheit wird also wahrscheinlich auch einen zukünftigen Klimawandel überleben, sie wird sich auch diesmal anpassen. Die Frage ist nur, um welchen Preis?

Lektüre zum Thema:

  • Wolfgang Behringer, Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung. (München 2007).
  • Karl-Heinz Ludwig, Eine kurze Geschichte des Klimas. Von der Entstehung der Erde bis heute. (München 2006).
  • www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/klima/klimawandel
Martina Nothnagel