Gute Nachrichten gesucht

Montagmorgen im Zug nach Wien. In einem überfüllten Zug. Der außerdem, wie üblich, Verspätung hat. Drinnen grimmiges Gedränge. Draußen grau-kalter Nieselregen. Die Welt war schon rosiger.
Die Pendler-Leidensgenossin neben mir scrollt am Handy durch die Online Ausgabe einer Wiener Qualitätszeitung. Der Genosse vis a vis döst über einem Gratis-Blättchen. Ich schiele in beide Richtungen auf die Schlagzeilen: Die Welt wird nicht besser. Was ich lese ist wenig erbaulich. Schlechte Nachrichten aus aller Welt und allen Ressorts. Wird denn ständig alles schlimmer, verrückter und gefährlicher?
Nein, wird es nicht! So erstaunlich das auch klingen mag, die Welt ist nicht ausschließlich elend und wird nicht immer noch schlechter. Es wird uns bloß so erzählt und von uns so wahrgenommen. (Ich weiß das, weil ich vor Kurzem einen spannenden Beitrag dazu gelesen und – zunächst ein bisschen skeptisch – selbst noch ein wenig recherchiert habe.)
Der Trend zu einer immer negativeren medialen Berichterstattung in den letzten Jahrzehnten ist durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt. Das betrifft sowohl die Sprache als auch die Auswahl und Gewichtung von Themen. Positive Entwicklungen sind häufig langsame Prozesse, die sich nicht so wunderbar in knallige Schlagzeilen packen lassen wie aktuelle Katastrophenmeldungen. Erfreuliche Nachrichten laufen oft auch Gefahr ein bisschen fad zu erscheinen. „Wieder kein tödlicher Unfall“, gibt als Headline einfach nicht viel her. Menschen reagieren außerdem emotional stärker auf schlechte Nachrichten, auch das ist wissenschaftlich belegt. Nicht umsonst heißt es: „Only bad news is good news.“
Dann ist da außerdem noch der Faktor der Verfügbarkeitsheuristik. Das ist eine Abkürzung, die unser Gehirn nimmt, um Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit eines Ereignisses einzuordnen. Je mehr Beispiele wir für ein Ereignis parat haben, umso wahrscheinlicher erscheint es uns. Ich zum Beispiel bin gerade absolut davon überzeugt, dass meine Züge ständig Verspätungen haben. Da sind drei sehr eindrucksvolle, weil nervtötende Beispiele aus den letzten Tagen in meiner Erinnerung prominent verfügbar. Eine statische Auswertung der tatsächlichen Verspätungen würde vermutlich mehr zu Gunsten der ÖBB ausfallen. Oder ist Ihnen schon aufgefallen, dass es immer regnet, wenn Sie keinen Schirm dabeihaben? Das könnte auch daran liegen, dass nass bis auf die Knochen stärker in Erinnerung bleibt als gedankenverloren den Schirm aufspannen.
Je mehr wir unser Gehirn also mit negativen Ereignissen füttern, desto häufiger und wahrscheinlicher erscheinen sie uns. Und an Beispielen für Gewalttaten, Terrorgefährdungen, Unfällen, stressbedingten psychischen Erkrankungen und anderen Desastern aller Art herrscht nun, nicht zuletzt dank der medialen Berichterstattung, wahrlich kein Mangel.

Das soll selbstverständlich nicht heißen, dass schlechte Nachrichten generell Fake News oder Hirngespinste sind. Niemand kann bestreiten, dass es im Moment viele besorgniserregende Entwicklungen gibt, über die kontinuierlich berichtet werden muss und die wir nicht ignorieren dürfen. Nur ist das eben auch nicht immer die ganze Wahrheit. Ab und zu haben wir uns auch gute Nachrichten verdient, finde ich.

Martina Nothnagel